Große Halle - Kleine Männer / Dezember 2019

Ingolstadt - “Mitten in der Ausstellung im P3 ist ein ungewöhnliches Hilfsmittel an einer Wand angebracht: eine Lupe.Die benötigt man eigentlich auch. Denn das wunderbare Reich, das der Künstler Claus-Michael Hüssen auf seinen Zeichnungen entfaltet, ist eine Welt der Miniaturen. Winzige Männchen mit Knollennasen tummeln sich da auf den Blättern, mal mit Gegenständen in den Händen, mal einfach so, mal in bestimmten Formationen, mal ohne besondere Anordnung. Alle sind sie farbig ausgemalt, haarfein, detailverliebt gestaltet: ein faszinierendes Menschengewimmel. Die quadratischen Bilder, die perfekt in die populären Ikea-Rahmen passen, tragen eine ganz eigene Handschrift, sind so offensichtlich originell und ungewöhnlich, als stammten sie von einem Künstler, der sich längst weithin einen Namen gemacht hat. Aber weit gefehlt. Claus-Michael Hüssen, dessen Werke derzeit zusammen mit den Bildhauer-Arbeiten von Ludwig Hauser ausgestellt sind, ist eine echte Entdeckung. Und zwar eine ziemlich unerwartete. Aufgefallen ist er den beiden Betreibern des Kunstraumes P3, Hauser und Karin Derstroff, bereits seit Längerem. Denn Hüssen hat die Angewohnheit, mit seinen kleinen Männchen Postkarten, Geburtstagsbriefe und Ähnliches zu illustrieren. Hauser und Derstroff bekamen regelmäßig solche Karten - und sie waren begeistert von Hüssens Kunstfertigkeit. Vor einigen Monaten sprachen sie ihren langjährigen Freund darauf an, fragten, ob er noch weitere Zeichnungen hätte. Schnell stellte sich heraus, dass er Hunderte, ja, Tausende Zeichnungen besaß, alle sorgfältig gesammelt in einem Planschrank. Und nicht weiter beachtet. Denn das Zeichnen war und ist für Hüssen nichts weiter als eine Art Entspannungsübung, ein Zeitvertreib, während er Musik hört oder in der Mittagspause sich regeneriert. Hüssen selbst hat all dem bisher kaum Bedeutung geschenkt. Wenn er von der Ausstellung spricht, benutzt Hüssen immer wieder das Wort "überrumpelt". Es hat ihn vollständig überrascht, dass jemand seine Zeichnungen ausstellen wollte. Er selbst hat sich nie als Künstler verstanden. Und es war ihm auch etwas mulmig dabei. "Es war gut, dass ich die Woche davor nicht in Ingolstadt war", erzählt er. So konnte er sich nicht allzu viele Gedanken machen. Die Vorlaufzeit war äußerst kurz, sagt er. "Zu kurz eigentlich, um noch nein zu sagen. . . " Hüssens eigentlicher Beruf hat mit Kunst kaum etwas zu tun. Er ist promovierter Archäologe, inzwischen Pensionär. "Natürlich ist es als Archäologe nützlich, zeichnen zu können", sagt er. Zur Welt kam Hüssen 1955 in Bottrop. Nach Abitur und Wehrdienst studierte er Provinzialrömische Archäologie, Vor- und Frühgeschichte und Alte Geschichte in München und Oxford. Nach der Promotion leitete er zwischen 1990 und 2015 die Forschungsstelle Ingolstadt der Römisch-Germanischen Kommission des Deutschen Archäologischen Instituts. Jetzt hat er sich erstmals seit langer Zeit wieder mit seinen Zeichnungen beschäftigt. Und hat festgestellt, dass er eigentlich schon als junger Mann in gleicher Weise Miniaturen gezeichnet hat. Immer mit dem Rapidographen, stets in der geringsten Stärke. Da die Stifte auszutrocknen drohten, fühlte er sich gezwungen, möglichst bald weiterzuzeichnen. Wenn die Tusche langsam zu Ende geht, gefällt es ihm besonders - denn dann werden die Linien noch feiner. Auffällig ist bei Hüssen, dass er fast eine reine Männerwelt in seinen Bildern darstellt. Das wirkt nicht ganz politisch korrekt. Aber der Grund ist banal: "Ich kann keine Frauen zeichnen", sagt er schmunzelnd.” (DONAUKURIER) .

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